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Nettie Sutro-Katzenstein (* 1. November 1889 in München; † 21. September 1967 in Zürich) war eine Schweizer Historikerin und Flüchtlingshelferin.

Giovanni Giolitti (* 27. Oktober 1842 in Mondovì, Piemont; † 17. Juli 1928 in Cavour, Piemont) war ein italienischer Politiker.

Antonio Labriola (* 2. Juli 1843 in Cassino; † 12. Februar 1904 in Rom) war Professor der theoretischen Philosophie an der Universität in Rom. Er gilt als einer der ersten und einflussreichsten italienischen Marxisten.

David Lloyd George, 1. Earl Lloyd-George of Dwyfor OM (* 17. Januar 1863 in Manchester; † 26. März 1945 in Llanystumdwy, Caernarfonshire) war ein britischer Politiker.

Gustav Noske (* 9. Juli 1868 in Brandenburg an der Havel; † 30. November 1946 in Hannover) war ein SPD-Politiker, bekannt auch durch seine zentrale Rolle in der Novemberrevolution und den nachfolgenden sozialen und politischen Auseinandersetzungen der Jahre 1918 bis 1920.

Constantin Fehrenbach (häufig auch fälschlich: Konstantin Fehrenbach, * 11. Januar 1852 in Wellendingen bei Bonndorf (Baden); † 26. März 1926 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Politiker (Zentrum) und vom 25. Juni 1920 bis zum 4. Mai 1921 Reichskanzler der Weimarer Republik.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

Nettie Sutro-Katzenstein (* 1. November 1889 in München; † 21. September 1967 in Zürich) war eine Schweizer Historikerin und Flüchtlingshelferin.

#97 Brief an Nettie Katzenstein

Datierung 1920-09-12
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief

 

Provenienz Original nicht ermittelt.
Briefkopf -
Publikationsort Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 308).
Personen Katzenstein, Nettie
Giolitti, Giovanni
Labriola, Antonio
George, David Lloyd
Noske, Gustav
Fehrenbach, Constantin
Toller, Ernst
Katzenstein, Nettie

 

 

 

 

12.9.20

An Tessa.

Der Streik in Italien scheint abgebaut zu werden. Ich habe vom ersten Tage an die Nachrichten bezweifelt, die vom Aufflammen der sozialen Revolution in Italien sprachen.

Italien ist kein autarkes Land, und es ist kindlich, zu glauben, daß die italienischen Arbeiterführer diese Binsenwahrheit in irgendwelchem revolutionären Gefühlsdusel vergessen hätten. Italien vier Wochen ohne fremde Kohlen – und das beste sozialistische System ist unterhöhlt. Keine Revolution ist in Italien möglich, bevor nicht die Kräfte der Arbeiterklassen in England und Frankreich so stark mindestens sind, um ihre Regierungen zu zwingen, keine Unterbrechung des Handelsverkehrs eintreten zu lassen und Italien weiter mit Rohstoffen zu beliefern. –

Die Politik der bürgerlichen Regierung auf erstaunlicher Höhe. (Wie jämmerlich, trostlos, brutal und doch grenzenlos schwächlich dagegen die der Deutschen.)

Giolittis Verhalten erklärte ich mir aus der Stellungnahme der Industriellen, die ihn in der letzten Zeit scharf bekämpft hatten, und die er, um Zugeständnisse zu erzwingen, einige Nächte „hängen lassen“ wollte.

Heute las ich Labriolas Rede:

… „Wenn es sich um eine Massenbewegung handelt, sind andere Gesichtspunkte geltend, als wenn es sich um einen Einzelfall handelt. Der Totschlag ist ein verabscheuungswertes Delikt, das Massentöten nennt man Krieg, und es gibt Leute, die ihn entschuldigen …“

„Mit Kanonen läßt sich eine Bewegung, die die Massen erfaßt hat und treibt, nicht bekämpfen. Kommt eine soziale Umgestaltung, so soll sie wenigstens mit dem Minimum an Schädigungen des Einzelnen eintreten und kein Blutvergießen hervorrufen.“

Man stelle sich Noske vor, eine derartige Rede haltend! Oder Herrn Fehrenbach.

Lloyd George soll einmal gesagt haben: Man kann mit den deutschen Staatsmännern nicht verhandeln, sie sind zu mittelmäßig.