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Kurt August Paul Wolff (* 3. März 1887 in Bonn; † 21. Oktober 1963 in Ludwigsburg) war ein deutscher Verleger; Gründer des auf expressionistische Literatur spezialisierten Kurt Wolff Verlags, der von 1913 bis 1940 existierte.

Kurt Eisner (geboren am 14. Mai 1867 in Berlin; gestorben am 21. Februar 1919 in München), sozialistischer Revolutionär, Journalist und Politiker, vom 8. November 1918 bis zu seiner Ermordung durch Anton Graf von Arco auf Valley Ministerpräsident des Freistaats Bayern.

Salomo Friedlaender (Namensvarianten: Salomon; Friedländer; Pseudonym: Mynona; * 4. Mai 1871 in Gollantsch bei Posen; † 9. September 1946 in Paris) war ein deutscher Philosoph und Schriftsteller.

Mihály Babits von Szentistván [ˈmihaːj ˈbɒbiʧ] (* 26. November 1883 in Szekszárd; † 4. August 1941 in Budapest) war ein ungarischer Dichter und Übersetzer.

Rabindranath Tagore bzw. Rabindranath Thakur (* 7. Mai 1861 in Kalkutta; † 7. August 1941 ebenda), war ein bengalischer Dichter, Philosoph, Maler, Komponist, Musiker und Brahmo-Samaj-Anhänger, der 1913 den Nobelpreis für Literatur erhielt und damit der erste asiatische Nobelpreisträger war.

Johannes Robert Becher (* 22. Mai 1891 in München; † 11. Oktober 1958 in Ost-Berlin) war ein deutscher expressionistischer Dichter und Politiker, Minister für Kultur sowie erster Präsident des Kulturbundes der DDR.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

Kurt August Paul Wolff (* 3. März 1887 in Bonn; † 21. Oktober 1963 in Ludwigsburg) war ein deutscher Verleger; Gründer des auf expressionistische Literatur spezialisierten Kurt Wolff Verlags, der von 1913 bis 1940 existierte.

#81 Brief an Kurt Wolff

Datierung 1920-07-13
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 3 S., M

Provenienz YUL, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale Collection of German Literature, Kurt Wolff Archive (YCGL MSS 3), Box 7, Folder 293
Briefkopf -
Publikationsort D1: Kurt Wolff. Briefwechsel eines Verlegers. 1911–1963. Hrsg. v. Bernhard Zeller und Ellen Otten. Frankfurt/Main: Verlag Heinrich Scheffler 1966, S. 323–325.
D2: „Ich glaube nicht mehr an Wandlung“. Aus dem Briefwechsel zwischen Kurt Wolff und Ernst Toller. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (1968), Nr. 202, S. 16.
Personen Wolff, Kurt
Eisner, Kurt
Friedlaender, Salomo
Babits, Mihály
Tagore, Rabindranath
Becher, Johannes Robert
Toller, Ernst
Wolff, Kurt
Institutionen Nürnberger Stadttheater
Landgerichtsgefängnis Neuburg
Werke Masse Mensch

Sehr verehrter Herr Wolff,

bei meiner Rückkehr aus dem Landgerichtsgefängnis Neuburg, wo mich der Zahnarzt acht Tage malträtierte, finde ich Ihre liebe Karte und das Paket Bücher. Tausend herzlichen Dank. Sie können es kaum ermessen, welche Freude Sie mir und allen gefangenen Kameraden bringen.

Ein anderes noch sagte mir Ihre Karte: Sie zürnen meinem Schweigen nicht, ahnen wohl den Grund. Harmloseste Menschen, denen von hier eine paar nichtssagende Zeilen übersandt waren, mußten mancherlei „Heimsuchungen“ über sich ergehen lassen. Die Geschichtsforscher des Tages bezweifeln es zwar, aber es gilt immerhin noch als historisches Faktum, daß Kurt Eisner in prähistorischen sozusagen legendären Zeiten bayrischer Ministerpräsident war.

Welche Wege wird Bayern in den kommenden Monaten, Jahren gehen? Man müßte ein Tor sein, um die besonderen Machtverhältnisse und die trotz aller Dementis immer stärker werdenden separatistischen Strömungen zu verkennen. Die Erscheinung, daß Frankreich entgegen der deutschen Reichsverfassung eine Gesandtschaft in München errichtet, daß Bayern die Errichtung dieser Gesandtschaft (was auf verschiedenen Wegen sich ermöglichen ließe) nicht verhindert, sondern mit Freuden begrüßt, zeigt deutlich die ganze Kraftlosigkeit des Reichsgebildes (ist ein Zeichen für seinen latenten Zerfall) und öffnet auch den Blinden die Augen, wohin die bayrische Reise gehen will . Und die Haltung Bayerns in der Entwaffnungsfrage? Man muß sich eine gute Rückendeckung gesichert haben.

Geht es an den Geldsack und die Macht, offenbart sich die ganze Jämmerlichkeit und Verlegenheit dieser Patrioten. Aber schließlich ist dieses Zwischenspiel nur eine Episode im notwendigen gesamteuropäischen Prozeß. –

Nun habe ich doch über Politik geschwatzt, aber ich hoffe, daß die Zensur in meinen Worten nichts sieht, was Ruhe und Ordnung des Freistaates stören kann. –

Eine Kuriosität ereignete sich in den letzten Tagen. Mein Drama „Masse Mensch“ hatte ich umgeformt und, nachdem es die Festungszensur unbehelligt passiert hatte, zur Vervielfältigung nach München geschickt. Dort wurde es von der politischen Polizei beschlagnahmt. Mit welchem Recht ? – aber diese Frage ist wohl überflüssig.

Um die Uraufführung des Stücks bewarben sich schon einige Bühnen (u. a. das Nürnberger Stadttheater).

Die Drucklegung, die dann eben in anderer Fassung erfolgen muß, wird ja doch nicht verhindert. – Ich hoffe immer noch, daß meine Schritte (Forderung nach sofortiger Freigabe) nicht erfolglos bleiben. Indessen – auch Unwahrscheinlichstes ist hier möglich. –

Fast hätte ich Aussicht gehabt, Ihnen die Hand zu drücken. On corrige a la fortune. Hörten Sie vom Dichter Anne? Lebt er in München? Ich wage nicht ihm zu schreiben, da er zu den Landfremden gehört. –

Der Sommer liebt auch uns, und wir sind seine zärtlichsten, an Sonne und Farben und reifem Duft sich berauschenden Kinder.

Ich wünschte oft, wenn ich nun einmal im Gefängnis sein muß, noch tiefer allein leben zu dürfen.

Es gibt Stunden, so erfüllt, daß ich Sie den draußen im Fron sich Mühenden wünschte.

In herzlichem Gedenken grüße ich Sie

Ihr Ihnen sehr ergebener

Ernst Toller.

Niederschönenfeld, 13.7.20.