#523 Brief an Paul Joseph
Datierung | 1927-02-17 |
Absendeort | Berlin, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief, 2 S., T |
Provenienz | BArch, Berlin, NS26-02138 |
Briefkopf | - |
Personen |
Joseph, Paul
Joseph, Paul Toller, Ernst |
Institutionen | Liga gegen Imperialismus und koloniale Unterdrückung |
Ernst Toller.
Berlin W. 50, den 17. Februar 27.
Spichernstr. 8/9.
Herrn
Paul Joseph ,
Pforzheim.
Schliessfach 96.
Lieber verehrter Herr Joseph!
Habe ich Sie nicht vor der Freundschaft mit mir gewarnt? Nun sehen Sie, was Sie sich einbrocken. Allerlei Schuld habe ich ja. Aber ganz so schlimm ist es doch nicht. 1) bin ich aus Österreich erst am 22. Januar zurückgekehrt: 2) habe ich in den 10 Tagen, die ich hier war, wie drei Zugochsen zusammen gearbeitet: 3) musste ich dann nach Brüssel zu dem sehr bedeutenden Kongress gegen Kolonialunterdrückung reisen, der mich 5 Tage und Nächte mit nächtlicher Unterbrechung von 3–4 Stunden in seinen Fängen hielt, und jetzt japse ich ein bisschen nach Luft oder vielmehr nach eigener Arbeit. Nächsten Montag lese ich 8,15 Uhr, damit Sie es wissen, verehrter Radiofeind, im Radio, am Dienstag abend im Blüthner-Saal, am Mittwoch abend fahre ich zu Vorträgen nach Kopenhagen, Oslo und Stockholm. Gott grüss die Kunst!
Der Mantel geht als eingeschriebenes Postpaket an Sie ab. Er hat mir treue Dienste bei nächtlichen Eisenbahnfahrten geleistet, und ich werde ihn beim Einpacken so sanft streicheln, dass er auf Ihren Autoreisen Sie doppelt zärtlich einhüllen wird.
Dass Ihre Freundin aus Amerika kommt, freut mich mächtig, sagen Sie ihr bitte, ich erwarte bestimmt, dass sie mich in Berlin anruft (Amt Pfalzburg, 4672).
Grüssen Sie den Schwarzwald und erzählen Sie ihm, dass ich morgens und abends heimliche und offene Tränen nach ihm weine.
Immer Ihr herzlich ergebener