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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#377 Brief an Ida Toller

Datierung 1924-07-02
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 2 S., T (Abschrift) mit handschriftl. Anmerkungen

Provenienz StA M, Bestand Polizeidirektion München
Briefkopf -
Personen Toller, Ida
Schneider, ?
Auerbach, ?
Cohn, Erich
Toller, Ernst
Toller, Ida
Institutionen Festungshaftanstalt Niederschönenfeld

Direktion

der Gefangenenanstalt und der Festungshaftanstalt.

Niederschönenfeld, den 2. Juli 1924.

An

den Herrn Staatskommissar

für München Stadt- und Landbezirk

in München.

Betreff: Toller.

Zur Zuschrift v. 30. 6. 24 betr. Beschluss

F. A./102 vom gleichen Tage.

Die Strafe des Festungsgefangenen Toller endet am 16. Juli 1924 Nachm. 1.12 Uhr.

Gemäss § 199 Abs. 2 der Dienst- und Vollzugsordnung für die bayerischen Strafanstalten vom 15.3.24 dürfte es sich empfehlen, wie es auch sonst hier üblich ist, den um 7 Uhr morgens im 3 km von der Anstalt entfernten Rain abgehenden Zug zu wählen, also den Weggang aus der Festung auf 6 Uhr vormittags anzusetzen.

Demgemäss müssten die angekündigten Beamten hier übernachten und sich im Laufe des Nachmittags des 15. ds. bei mir einfinden.

Toller zahlte bisher seine Strafvollzugskosten und verfügt immer über ziemlich reichliche Geldmittel aus Einnahmen von seiner Schriftstellerei.

Auf seinem Konto verwahrt die Anstalt derzeit 185.– Mk. Ob noch Geld für ihn eintrifft und inwieweit er über die 185 Mk bis zur Entlassung noch Verfügungen trifft, ist natürlich nicht vorauszusehen.

Vorsorglich gestatte ich mir noch zu bemerken, dass nötigenfalls zur Kostenersparnis der hiesige Gendarm, Stationskommandant Schneider für den Transport wohl unbedenklich mit zur Verfügung gestellt werden könnte.

Der Festungsgefangene Toller schreibt heute zufällig einen Brief an seine Mutter in Landsberg a/Warthe, in welchem er ihr seine Absicht für die nächsten Tage nach seiner Entlassung mitteilt und deshalb von Interesse sein dürfte.

Der Brief lautet:

„Liebe Mutter,

sei ohne Sorge; ich fahre von Rain über Donauwörth – Nürnberg nach Leipzig. Um 7 Uhr abends komme ich in Leipzig an.

Ob ich das erste Mal in Berlin Dr. Auerbach aufsuchen kann, ist fraglich. Besprechungen mit Verlegern, ärztliche Konsultationen u. ä. werden mich von morgens bis abends in Anspruch nehmen. Ich hoffe am 19. oder 20. in Landsberg zu sein. Am 19. soll eine Begrüssungsfeier in Berlin stattfinden aber ich werde kaum an ihr teilnehmen.

Meine Manuskripte, Briefe, Mappen übergab ich der Zensur. Ich denke, dass ich sie am Donnerstag in einer Kiste an Deine Adresse absenden kann. Ich bitte Erich, Dir ein Regal zu leihen. (Die Bücherkiste an Erichs Adresse sandte ich vorige Woche fort. …“

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Hoffmann

Oberregierungsrat, Vorstand.