Gustav Mayer (* 4. Oktober 1871 in Prenzlau; † 21. Februar 1948 in London) war ein deutscher Journalist und Historiker der Arbeiterbewegung.
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Ferdinand Lassalle (geboren am 11. April 1825 in Breslau als Ferdinand Johann Gottlieb Lassal; gestorben am 31. August 1864 in Carouge) war Schriftsteller, sozialistischer Politiker im Deutschen Bund und einer der Wortführer der frühen deutschen Arbeiterbewegung.
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Karl Marx (* 5. Mai 1818 in Trier; † 14. März 1883 in London) war ein deutscher Philosoph, Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung sowie Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft und der Religion.
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Sophie Josephine Ernestine Friederike Wilhelmine Gräfin von Hatzfeldt-Wildenburg-Schönstein, geb. Gräfin von Hatzfeldt-Trachenberg (* 10. August 1805 in Trachenberg; † 25. Januar 1881 in Wiesbaden) war eine deutsche Sozialistin und Lebensgefährtin Ferdinand Lassalles.
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Nettie Sutro-Katzenstein (* 1. November 1889 in München; † 21. September 1967 in Zürich) war eine Schweizer Historikerin und Flüchtlingshelferin.
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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.
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#356 Brief an Gustav Mayer
Datierung | 1924-02-29 |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief, 4 S., M |
Provenienz | Fondazione Giangiacomo Feltrinelli, Fondo Gustav Mayer BArch, Berlin, RY20-II-145-49 (Abschrift) |
Briefkopf | - |
Personen |
Mayer, Gustav
Lassalle, Ferdinand Marx, Karl Hatzfeld, Sophie von Katzenstein, Nettie Mayer, Henriette "Flora" Toller, Ernst Mayer, Gustav |
Institutionen | Festungshaftanstalt Niederschönenfeld |
Lieber verehrter Herr Professor Mayer,
nun haben Sie gar meinen Brief, den ich Ihnen vor Jahresfrist schrieb, nicht bekommen! Ich bin sehr betrübt darüber: ich bin kein gelenker Briefschreiber (die Haft hat ihr Übriges getan) und hats mich endlich mal zu einem richtigen Brief getrieben, der mehr ist als grüßender Händedruck, muß der verloren gehen. O, da klöhne ich über mich – wie mögen Sie wohl betroffen gewesen sein, daß ich Ihnen den Lassalle – Marx nicht einmal bestätigte!
Und nun bleibt mir nichts übrig als Sie noch um ein wenig Geduld zu bitten: bis ich, im Sommer oder Herbst, bei Ihnen vorspreche und Ihnen für Ihre Freundschaft danke. – Das Deutschland, das ich vorfinde, wird sehr verändert sein. Sein Skelett umtaste ich aus Zeitungs-, Bilder-, Bücher-Knochen, auch den Pulsschlag spüre ich durch Wände und ummauerte Höfe, aber um sein Fleisch zu fassen, die Besonderheit, den Rhythmus, die Tönung der bewegten Glieder, bedarf es der lebendigen Nähe. (Und darum lähmt Eingesperrt- und Abgesperrtsein nach einer gewissen Zeit. Bei dem einen tritt die Lähmung nach Stunden, bei dem andern nach Jahren ein. Das hängt von der Intensität und Stärke seines seelischen Kraftquells ab, und ob die Lähmung eine vollkommene oder nur partielle wird. Aber auf die Dauer bedarf der Mensch „lebendiger“ Eindrücke, mögen sie beglückender oder leidvoller Natur sein, soll er nicht sein bestes Geschenk der Haft, den Sinn für das Wesentliche, verlieren und abstumpfen) – Dem Deutschland von 24 gibt ein Phänomen seinen traurigsten Zug: die Ohnmacht, die Hilflosigkeit, ja man kann sagen: die Gelähmtheit der Arbeiterklasse. Trauer und Zorn schütteln einen hier drin.
– – Herzlichsten Dank für den angekündigten Briefwechsel Lassalles mit der Gräfin Hatzfeldt. Ich glaube bestimmt, daß ich das Buch empfangen darf.
Frau Nettie wohnt jetzt in Ascona (Tessin), Collina. Sie hat dort ein Haus gemietet. Ich will, sobald ich nur irgend kann, die Freunde besuchen!
Ihrer Gefährtin danke ich für ihre Grüße und erwidere sie bestens.
Herzlich!
Ihr Ernst Toller.
Fest Niederschönenfeld
29.2.24