Paul Cassirer (* 21. Februar 1871 in Görlitz; † 7. Januar 1926 in Berlin) war ein deutscher Verleger, Kunsthändler und Galerist jüdischer Herkunft in Berlin.
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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.
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#339 Brief an Paul Cassirer
Datierung | *Herbst 1923 |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief In Briefe aus dem Gefängnis ist der Brief im Abschnitt 1921 eingeordnet; er kann aber aufgrund der erwähnten Ereignisse auf Herbst 1923 datiert werden. |
Provenienz | Original nicht ermittelt. |
Briefkopf | - |
Publikationsort | Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 322). |
Personen |
Cassirer, Paul
Olschewski, Frieda Toller, Ernst Cassirer, Paul |
Beschlagnahmter Brief.
An den Verleger Paul Cassirer.
Ich muß Ihnen vor allem ernsten Dank sagen, denn Sie haben der bedauernswerten Frau meines Kameraden, die einen Selbstmordversuch unternommen hatte, eine große Hilfe gebracht. Man spürt in den letzten Briefen der Frau ein befreites Aufatmen, rührendes Gefühl der Dankbarkeit, neuen Willen zum Leben.
Längst schulde ich Ihnen einen Brief. Ihre Zeilen trafen mich in einer Periode gespannten Schaffens an, die leider nicht durch Krankheit allein ein Ende fand. Aus Zeitungsberichten wissen Sie wahrscheinlich, daß man außerordentliche Maßnahmen „zur Sicherung“ des Festungsgefängnisses notwendig hielt. Diese außerordentlichen Maßnahmen sind eine Kette widriger Entwürdigungen, die selbst den Menschen ermüden, der mit einer gewissen Überlegenheit Maßnahmen über sich ergehen ließ, die den Charakter der Festungshaft als einer „Ehrenhaft“ zu einer Farce degradierten. Peinlichste Zensur, körperliche Durchsuchungen beim Verlassen des Hauses. Tag und Nacht Überwachung des Zellengangs, Öffnen und Durchschnüffeln jeder Konservenbüchse, Zerschneiden jedes Brots, jeder Wurst, (die von draußen geschickt werden), Ablieferung oder vielmehr Nichtaushändigung der Paketverpackungen, der kleinsten Papierfetzen, der Umschlaghüllen usw., Besuche unter strenger Aufsicht, die Besuchszeit um die Hälfte gekürzt, die Zusammenstöße mit „schneidigen“ Wärtern – alle diese kleinen Plänkeleien des täglichen Haftlebens, die den Draußenlebenden belanglos scheinen (und es auch objektiv sind), und die den Gefangenen wie Peitschen, wie Stiche und Widerhaken treffen, sind seelische Martern eines raffiniert „humanen“ Strafvollzuges.