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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#337 Brief an B.

Datierung 1923-??-??
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief

Provenienz Original nicht ermittelt.
Briefkopf -
Publikationsort D1: Schwalbeneltern. In: Leipziger Volkszeitung, vom 24.6.1927.
D2: Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 370).

Als Druckvorlage wurde D2 herangezogen, da D1 nicht in Briefform erschien. Ob hier ein Brief in einen Aufsatz oder ein Aufsatz in einen Brief umgearbeitet wurde, konnte nicht entschieden werden.
Personen B.
B.
Toller, Ernst

An B.

Eine rührende Episode habe ich einmal bei dem Schwalbenpärchen beobachtet, das in meiner Zelle nistete.

Das erste Junge hatte endlich zur Freude der Eltern, die es zwitschernd begleiteten, das Nest verlassen, war hinausgeflogen und saß nun oben auf dem Dachfirst. Die Eltern flogen Kreise, Spiralen und andere kunstvolle Figuren, um ihm zu zeigen, daß Fliegen nicht bloßer Zweck ist, daß es zwecklos heiteres Spiel sein kann. Das Junge schaute aufmerksam zu. Plötzlich, als ob es sich einen mutigen Ruck gäbe, erhob es sich – und lag auf der Erde. Die Eltern, aufgeregt pfeifend, umkreisten das Kleine. Das machte einige vergebliche Versuche um aufzufliegen und blieb schließlich sitzen. Wenn das Kind nicht hören will, dachte die Mutter, muß mans ihm vormachen, vielleicht begreift es dann. So schoß sie hinunter, saß Sekunden neben ihm, zeigte, wie man sich erhebt. Wohl zehnmal tat sie es, das Kleine wollte nicht. Da sah ich, wie die Mutter zum Vater flog und ihm ein Zeichen gab. Beide flogen zum Jungen, der Vater setzte sich rechts, die Mutter links, sie spannten ihre Flügel, jedes schob einen unter das Junge, daß es saß wie auf gespannter Matte. So brachten sie es, beide nur den freien Flügel gebrauchend, zum Nest und ließen es sorglich hineingleiten.