#270 Brief an [unbekannt]
Datierung | 1922-??-?? |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief |
Provenienz | Original nicht ermittelt. |
Briefkopf | - |
Publikationsort | Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 349). |
Personen |
[unbekannt]
[unbekannt] Toller, Ernst |
An eine Leserin.
Ich danke Ihnen, liebes Fräulein, für Ihr Vertrauen. Sie haben sich den Beruf einer Jugendfürsorgerin erwählt. Sie werden oft Kindern begegnen, die verwahrlost erscheinen, böse und verstockt. Glauben Sie mir, kein Kind ist böse von vornherein, vielleicht wurde es verletzt, gekränkt, in seinen Gefühlen verhöhnt, und nun umgibt es sich mit einem Panzer von Verstocktheit und Bosheit. Nur Liebe, die nicht belehren will, nicht moralisiert, kann dem Kind die Gewißheit geben: „Ich habe nichts zu fürchten, ich werde geachtet, so wie ich bin, und obwohl ich so bin.“
Daß soziale Jugendfürsorge nur ein Ersatz ist, haben Sie recht erkannt. Darum müssen wir das eine tun und das andere nicht lassen: Für eine hellere Gemeinschaft kämpfen.