Nettie Sutro-Katzenstein (* 1. November 1889 in München; † 21. September 1967 in Zürich) war eine Schweizer Historikerin und Flüchtlingshelferin.
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Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (* 10. März 1788 auf Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien; † 26. November 1857 in Neisse, Oberschlesien) war ein bedeutender Lyriker und Schriftsteller der deutschen Romantik.
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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.
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#236 Brief an Nettie Katzenstein
Datierung | 1922-09-10 |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief |
Provenienz | Original nicht ermittelt. |
Briefkopf | - |
Publikationsort | Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 353f.). |
Personen |
Katzenstein, Nettie
Eichendorff, Joseph von Mitzky, Dora Toller, Ernst Katzenstein, Nettie |
10.9.22
An Tessa.
Ich möchte bei Dir sein, still Deine Hand nehmen und sie halten. Immer wenn Du von Deinem Freund sprachst, spürte ich die Nähe zwischen Euch beiden. Ich hatte gehofft, einmal teilzunehmen.
Wir alle werden einsam sterben, wie Dein Freund einsam starb, umgeben von Freunden. Das ist das tragische Schicksal der Menschen unserer Zeit, die nicht nur die göttliche Gemeinsamkeit entbehren, die eine Gemeinsamkeit, wenn sie sich ihnen auftun möchte, nicht ertragen können. So arm sind die Menschen in Europa geworden.
Und eine andere Not: Überfällt es Dich nicht plötzlich: Deine Worte gleiten ins Leere, niemand ist da, der sie aufnehmen will. Die Leere dringt in Dich, Du möchtest Deine eigne Stimme vernehmen. Da Du sie vernimmst, erschrickst Du: Dein Wort hat Leben und Klang verloren, es fällt aus Deinem Mund, tot.
Ich fühle mich unfähig Dir mehr zu sagen als: Ich bin bei Dir, bei Dora, ich trauere mit Euch.
Der Brief liegt immer noch da. Seit vielen Tagen schon.
Ich las heute ein Gedicht Eichendorffs. Lies auch Du es, Liebe. Es heißt: „Todeslust“.
„Bevor er in die blaue Flut gesunken,
Träumt noch der Schwan und singet todestrunken;
Die sommermüde Erde im Verblühen,
Läßt all ihr Feuer in den Trauben glühen;
Die Sonne, Funken sprühend, im Versinken,
Gibt noch einmal der Erde Glut zu trinken,
Bis, Stern auf Stern, die Trunkne zu umfangen,
Die wunderbare Nacht ist aufgegangen.“