Weitere Briefe
1,665 Briefe gefunden

Friedrich Martin Adalbert Kayssler, auch Friedrich Kayßler (* 7. April 1874 in Neurode; † 24. April 1945 in Kleinmachnow bei Berlin) war ein deutscher Schauspieler sowie Schriftsteller und Komponist.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#214 Brief an Oskar Anwand

Datierung 1922-05-29
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 2 S., M

Provenienz Märkisches Museum, Berlin, NL Ernst Toller, Sign. V 64_772 Rh
Briefkopf -
Publikationsort Ruth Freydank: Theater in Berlin. Von den Anfängen bis 1945. Berlin: Henschel 1988, S. 387 (längeres Zitat).

Die Datierung folgt der Publikation.
Personen Anwand, Oskar
Kayssler, Friedrich
Anwand, Oskar
Toller, Ernst
Institutionen Volksbühne Berlin
Werke Der deutsche Hinkemann

Sehr verehrter Herr Doktor Anwand,

Sie waren so freundlich, mir am 26. April im Auftrag des Herrn Dir. Kayssler zu schreiben.

Ich gestehe, daß mich Ihr Brief eigentümlich bedrückt hat, und ich vor der Frage stehe, ob es sinnvoll ist, wenn ich Ihnen meine Tragödie „Eugen Hinkemann“ noch einmal vorlege. Denn wenn der von mir sehr verehrte Herr Direktor Kayssler in der Stellung des Motives etwas „Schiefes und seitab Liegendes“ sieht und allein aus diesem Grunde Mittlerschaft vorzuweisen zu müssen glaubt – wie sollte die Umformung (und mag sie, wie ich glaube, dem Werk ein reineres und tieferes Antlitz gegeben haben!) ihn berühren, seine Anteilnahme erwecken?

Ich bin umso mehr bedrückt, als ich die Gewißheit habe (und ernsthafte Stimmen von draußen bestätigen es mir), daß ich im „Hinkemann“ mein bisher künstlerisch reifstes Stück geschaffen habe. Ein Stück, das für das übliche Publikum der privatkapitalistischen Bühnen im besten Fall ein „interessantes“ Phänomen sein wird, das aber nur wahrhaft erfaßt und „erlebt“ werden kann von einem Publikum, wie es die Volksbühne zu ihren Hörern zählt: vom werktätigen Volk.

Eine große Bühne in Berlin hat mich um das Manuskript gebeten, ich werde Entscheidungen treffen müssen: ich fühle mich der Volksbühne und ihren Zielen verpflichtet, darum will ich das Stück erst dann endgiltig einer anderen Bühne geben, wenn die Volksbühne es abzulehnen müssen glaubt. Ich bitte Sie: Schreiben Sie mir rückhaltlos, was ich tun soll. Ich habe den großen Wunsch, Ihnen den „Hinkemann“ noch einmal vorzulegen, lese ich aber Ihren Brief, bin ich entmutigt.

Ich grüße Sie und Herrn Direktor Kayssler,

in ausgezeichneter Hochschätzung

Ernst Toller