#205 Brief an Leipziger Tageblatt
Datierung | 1922-03-22 |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief |
Provenienz | Original nicht ermittelt. |
Briefkopf | - |
Publikationsort | Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 342). Um die Vollständigkeit der Briefe aus dem Gefängnis zu gewährleisten, wurde der vorliegende Brief trotz seines Öffentlichkeitscharakters in die Ausgabe aufgenommen. |
Poststelle | - |
Personen |
Leipziger Tageblatt
Toller, Ernst |
Beschlagnahmter Brief
22.3.1922
An die Schriftleitung des „Leipziger Tageblattes“, Leipzig.
„Wie erlebt der dramatische Dichter die Verwirklichung seiner Vision auf der Bühne?“ Sie richten die Frage an mich und sind so freundlich, einer Antwort von mir Gewicht beizulegen. Sie schreiben, daß „der Gegenstand Aufmerksamkeit verdient“, daß „es sich um keine müßige Frage handelt“.
Keinen Augenblick zweifle ich an der Bedeutsamkeit des Gegenstandes. Ja, für mich hat die Frage Interesse. Denn ich habe noch kein einziges meiner dramatischen Werke auf der Bühne gesehen.
In diesem Frühling findet die Uraufführung eines neuen Dramas von mir statt. Unterbreiten Sie, sehr geehrte Herren, Ihr Ersuchen dem bayrischen Justizministerium, sagen Sie ihm, daß das Fehlen meiner Antwort Sie peinlich berühren würde, vielleicht gibt es mir nach drei Jahren Haft einen zweiwöchentlichen Urlaub. Ich würde, dessen bin ich gewiß, durch die „theatralische Realität“ nicht „verarmt“, sondern bereichert um formale Möglichkeiten in dieses Haus zurückkehren – und Ihnen gewissenhaft schildern, wie ich die Verwirklichung meiner „Vision“ erlebte.