Friedrich Martin Adalbert Kayssler, auch Friedrich Kayßler (* 7. April 1874 in Neurode; † 24. April 1945 in Kleinmachnow bei Berlin) war ein deutscher Schauspieler sowie Schriftsteller und Komponist.
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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.
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#201 Brief an Friedrich Kayssler
Datierung | 1922-03-01 |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief, 3 S., M |
Provenienz | Märkisches Museum, Berlin, NL Ernst Toller, Sign. V 64_772 Rf |
Briefkopf | - |
Publikationsort | Freydank 1976, S. 61f. (Auszug). |
Personen |
Kayssler, Friedrich
Toller, Ernst Kayssler, Friedrich |
Institutionen | Festungshaftanstalt Niederschönenfeld |
Werke | Der deutsche Hinkemann |
Sehr verehrter Herr Kayssler,
es wird mir schwer auf Ihre kritischen Zeilen, deren Offenheit ich wahrhaft begrüßte, zu antworten, weil ein Entwurf der Hinkemanns Ihnen vorlag, zu dem ich heute nicht mehr stehe, den ich von mir – nun – unfaßbar erscheinenden Beimengseln (Ohrenbläserin, Wirtshaus-Aktualitäten und -Brutalitäten) befreite, den ich in wesentlichen Teilen umformte und vertiefte.
Nur einige Worte zu erwidern fühle ich mich verpflichtet.
Sie schreiben: Die letzten menschlichen und künstlerischen Fragen löst nach meiner Ansicht keine Parteipolitik, sondern nur die Seele selbst. Aber gerade das ist der Kern der Hinkemanns!! Und wenn ich im zweiten Akt Hinkemann sich mit einem Parteifunktionär auseinandersetzen lasse, so tue ich es ja nur, um zu zeigen, wie Parteihoffnung und Parteitröstung vor der letzten menschlichen Tragik versagt.
Das Stück ist nicht, wie Sie annehmen, auf den Boden einer sozialen Bewegung gestellt. Wohl lasse ich die Menschen ihrer sozialen Klasse verknüpft sein. Erst eine gewisse Höhe geistiger Freiheit ermöglicht es dem Einzelnen, die soziale Klasse, der er eingeboren ist, zu überwinden. Der Proletarier besitzt jene geistige Höhe heute nicht, kann sie nicht besitzen (die Gründe sind sozialpsychischer und sozialökonomischer Natur) – er fühlt in allen seinen Lebensäußerungen, in seinen Wünschen und Nöten die Verbundenheit mit seiner Klasse. Und die Partei ist ihm – wie Hinkemann im 2. Akt einmal sagt – mehr als Partei für den Bürger bedeutet. Partei ist sie ihm und Schule und Kirche. Seine Sehnsucht, seinen Menschenglauben, seine Religion bringt er der Partei.
Hinkemann schaut, wie das Band reißt, das er für unzerreißbar hielt, das Band mit seiner Klasse, mit seiner Partei, mit seiner Frau (von der er wähnte, daß sie seine Seele liebe, und von der er glauben muß, sie habe seine Seele verhöhnt), er fühlt, wie er, Mensch, nackter Mensch, einsam seinem Schicksal gegenübersteht, und nun er dies fühlt, hat er nicht mehr die Kraft. „Die Kraft nicht mehr zum Glauben, die Kraft nicht mehr zum Traum.“ „Es ist nicht um meine Krankheit – sagt Hinkemann im 3. Akt – es ist nicht um meinen zerschoßnen Leib … Ich bin durch die Straßen gegangen … ich sah keine Menschen … Fratzen, lauter Fratzen … und Not … sinnlose unendliche Not der blinden Kreatur … der Schuß, der war wie eine Frucht vom Baum der Erkenntnis. Alles Sehen wird mir Wissen, alles Wissen Leid. Ich will nicht mehr.“
Gleichnis ist ihm sein Krüppeltum nur noch einer anderen, tieferen Not. –
Die Hinkemanns sind (mit einem Goetheschen Wort) eine Tragödie des „nach innen geführten Menschen“.
– Das Ihnen zu sagen war mir Bedürfnis. Doch konnte die Verkennung meiner dramatischen Absichten nur durch eigenes Verschulden, Unklarheit der Diktion, entstehen.
In hoher Schätzung grüße ich Sie
als Ihr ergebener
Ernst Toller.
Fest Niederschönenfeld,
1.3.22.