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Adolf von Hatzfeld (* 3. September 1892 in Olpe; † 25. Juli 1957 in Bonn) war ein deutscher Schriftsteller.

Eugen Leviné (* 10. Mai 1883 in Sankt Petersburg; † 5. Juni 1919 hingerichtet in München) war ein Revolutionär und KPD-Politiker.

Sophokles (altgriechisch Σοφοκλῆς Sophoklḗs, klassische Aussprache [sopʰoklɛ̂ːs]; * 497/496 v. Chr. in Kolonos; † 406/405 v. Chr. in Athen) war ein Dichter in der Zeit der Griechischen Klassik. Er gilt neben Aischylos und Euripides als der bedeutendste der antiken griechischen Tragödiendichter.

Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere (* etwa im Jahre 1 in Corduba; † 65 n. Chr. in der Nähe Roms), war ein römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Politiker und als Stoiker einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit.

Meister Eckhart (auch Eckhart von Hochheim; * um 1260 in Hochheim oder in Tambach; † vor dem 30. April 1328 in Avignon) war ein einflussreicher spätmittelalterlicher Theologe und Philosoph.

John Milton (* 9. Dezember 1608 in London; † 8. November 1674 in Bunhill bei London) war ein englischer Dichter, politischer Denker und Staatsbediensteter unter Oliver Cromwell.

Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main als Johann Wolfgang Goethe; † 22. März 1832 in Weimar, geadelt 1782) gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung.

Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist (* 18. Oktober, nach Kleists eigenen Angaben 10. Oktober 1777 in Frankfurt (Oder); † 21. November 1811 am Stolper Loch, heute Kleiner Wannsee (Berlin)) war ein deutscher Dramatiker, Erzähler, Lyriker und Publizist.

Johann Christian Friedrich Hölderlin (* 20. März 1770 in Lauffen am Neckar, Herzogtum Württemberg; † 7. Juni 1843 in Tübingen, Königreich Württemberg) war ein deutscher Lyriker.

Plotin (griechisch Πλωτῖνος Plōtínos, latinisiert Plotinus; * 205; † 270 auf einem Landgut in Kampanien) war ein antiker Philosoph. Er war der Begründer und bekannteste Vertreter des Neuplatonismus.

Aischylos (* 525 v. Chr. in Eleusis, Attika; † 456 v. Chr. in Gela, Sizilien) ist vor Sophokles und Euripides der älteste der drei großen Dichter der griechischen Tragödie.

Adolf von Hatzfeld (* 3. September 1892 in Olpe; † 25. Juli 1957 in Bonn) war ein deutscher Schriftsteller.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#189 Brief an Adolf von Hatzfeld

Datierung *1922-01-26
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 2 S., M

mit Anmerkungen von Kasimir Edschmids Hand sowie Tollers Vermerk auf der 1. Seite: „Geschreibe von Edschmid“

Datierung: laut Vermerk von fremder Hand auf dem Blatt. Datum wurde herausgerissen

Provenienz StLB Dortmund, Handschriftenabteilung, NL Adolf von Hatzfeld
Briefkopf -
Publikationsort Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 335).
Kasimir Edschmid (Hrsg.): Briefe der Expressionisten. Frankfurt/Main, Berlin: Ullstein 1964, S. 132f.
Personen Hatzfeld, Adolf von
Leviné, Eugen
Sophokles
Seneca, Lucius Anneus
Meister Eckhart
Milton, John
Goethe, Johann Wolfgang von
Kleist, Heinrich von
Hölderlin, Friedrich
Plotin
Aischylos
Hatzfeld, Adolf von
Toller, Ernst
Werke Vormorgen
Gedichte der Gefangenen
Entlassene Sträflinge

Lieber, verehrter Herr Adolf von Hatzfeld,

wie war ich beglückt von Ihnen einen Gruß zu bekommen! Oft weilen meine Gedanken bei Ihnen, und wenn Sie traurig sich wundflattern an den Stäben dieses Hauses, greife ich zu Ihren Gedichten, die immer und immer wieder mich beschenken – wie Sie mich an jenem ersten Abend beschenkten, da ich Ihnen die Hand geben durfte und Sie mich leise hinaufführten zu Ihrem kleinen Zimmer, ein Buch („Franziskus“) ergriffen und auf eine gütige, herzliche Art eine Widmung darin eintrugen. Wissen Sie auch, daß Sie der erste waren, der nach meiner Verhaftung im Polizeigefängnis zu mir kam? Wie war das seltsam damals! Ich glaubte, daß nicht mehr viele Tage mir gegeben wären, ich glaubte den Weg gehen zu müssen, den L. so mutigen Herzens ging. Zu einer Stunde des Sinnens und Träumens traten Sie in meine Zelle, ich fühlte Ihre Hand und Ihre Nähe gab mir Ruhe, daß ich, eben noch zerwühlt vom Chaos der Gedanken und Bilder, mein Blut spürte wie eine sanfte Melodie der Dämmerung, die kampflos und friedlich dem Abend sich neigt. –

Wir haben seit Jahren viel Gemeinsames darzuleben – ich glaube tiefer als manch anderer – um die frierenden Stunden Ihres Kerkers zu wissen, aber auch um die seeligen, beseligenden Gesichte. Haben wir ein wesentlich anderes Leben, als die Menschen, die wähnen, vollkommene Freiheit zu besitzen? Der Unterschied ist eine Nuance – nicht mehr. Immer ist das Chaos da, des Morgens, wenn wir aufstehen, des Abends, wenn wir ruhen wollen, immer müssen wir es von neuem übermächtigen, und schauen wir mit beglücktem Lächeln die eigene Schöpfung an, wissen wir nicht, ob nicht schon in den nächsten Sekunden Sintflut alles überschwemmt und vernichtet. –

Ich lebte stiller und reicher, würde ich nicht in einer Haft leben, in der arme, zerquälte, verbitterte Menschen, in einem Zellengang aufeinander gepfercht, sich Jahr um Jahr, Tag um Tag blutend zermürben.

Große Menschen beschenken mich – Äschylos, Sophokles, Seneca, Eckhart, Plotin, Milton, Goethe, Kleist, Hölderlin. Nie sind wir so arm, wie man uns machen möchte. Immer bleibt uns jener Reichtum, der wir sind, jene Schönheit, die wir leben.

Meine Verse, die ich Ihnen mit diesen Zeilen schicke, möchten 21 Briefe sein!

Aus herzlicher Nähe grüße ich Sie.

Ihr

Ernst Toller.

Fest. Niederschön[enfeld]