Juan Negrín Lopez (* 3. Februar 1891 in Las Palmas de Gran Canaria - das Geburtsjahr schwankt je nach Quelle zwischen 1887 und 1892; † 12. November 1956 in Paris) war ein führender spanischer republikanischer Politiker (PSOE) während des Spanischen Bürgerkriegs.
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Indalecio Prieto Tuero (* 30. April 1883 in Oviedo; † 11. Februar 1962 in Mexiko-Stadt) war ein spanischer Politiker und führende Persönlichkeit der Spanischen Sozialistischen Partei (PSOE) in den Jahren vor und während der Zweiten Republik.
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Manuel García Prieto, Markgraf (Marqués) de Alhucemas (* 5. November 1859 in Astorga; † 15. September 1938 in Donostia-San Sebastián) war ein spanischer Politiker und Ministerpräsident Spaniens.
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Ernst Johannes Fritz Thälmann (* 16. April 1886 in Hamburg; † 18. August 1944 im KZ Buchenwald) war ein deutscher Politiker in der Weimarer Republik. Er war von 1925 bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1933 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die er von 1924 bis 1933 im Reichstag vertrat und für die er in den Reichspräsidentenwahlen von 1925 und 1932 kandidierte.
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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.
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#1580 Brief an Juan Negrín
Datierung | 1938-09-04 |
Absendeort | Barcelona, Spanien |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief, 4 S., T |
Provenienz | YUL, Manuscripts and Archives, Ernst Toller Papers (MS 498), Box 1, Folder 3 |
Briefkopf | DEN NORSKE HJELPEKOMITE FOR SPANIA / STORGARTEN 12 VII. OSLO – TELEFON 31 123 |
Personen |
Negrín, Juan
Madden, Richard J. Prieto, Indalecio Prieto, Manuel Garcia Lindbæk, Lise Thälmann, Ernst Toller, Ernst Negrín, Juan |
Institutionen |
Comité de l’Aide au Peuple Espagnol
Trianon Palace Hotel |
ERNST TOLLER
Adresse bis 20sten September: Hotel Trianon Palace,
1 bis Rue Vaugirard,
Paris VIe,
ab 20sten September Daueradresse:
c/o Richard Madden
Paramount Building,
New York City.
Barcelona, 4. 9. 1938.
Hochverehrter Herr Ministerpräsident,
mit aufrichtigem Bedauern verlasse ich heute Spanien, ohne dass ich Gelegenheit hatte, Sie zu sehen und Ihnen zu sagen, wie tief ich von dem tragischen Kampf der Republik um ihre Freiheit berührt wurde. Die Tapferkeit der Soldaten an der Front, die Disziplin des Heeres, aus Freiwilligkeit geboren, haben ebenso meine leidenschaftliche Bewunderung erregt, wie die Würde des Volkes, die aufgezwungenen Entbehrungen zu tragen, ohne in seiner Widerstandskraft zu erlahmen.
Ich hoffe, dass der Tag nicht fern ist, wo die Demokratien der Welt erkennen werden, dass der Kampf nicht nur um die Sache Spaniens, sondern um ihre eigene Sache geht. Die Völker haben es schon erkannt, die Regierungen noch nicht. Aber sie werden sich dem Druck der öffentlichen Meinung beugen müssen. Die Zeit arbeitet für Spanien. Mit jedem Tag, an dem die Republik den Rebellen und ihren fremden faschistischen Helfern widersteht, wachsen die Vorbedingungen ihres Sieges.
Erlauben Sie mir, hochverehrter Herr Ministerpräsident, Ihnen eine Anregung zu unterbreiten. Es ist der Hinweis eines Freundes, und darum weiss ich, dass Sie ihn recht verstehen werden. Ich hatte Gelegenheit, einen Schein zu sehen, den ein verwundeter Offizier der Internationalen Brigaden unterzeichnen musste, bevor er aus dem Heer wegen Kriegsunfähigkeit entlassen wurde und nach Frankreich reiste.
Der Satz lautet: „El que suscribe la presente solecitud de permiso para el extranjero se compromete a no hacer peticion alguna de ayuda economica al Gobierno Espanol mientras se encuontre en el extranjero y queda advertido que todos los gastos tanto de viajo come de estancia en el extranjero correran por su cuenta.“
Nach meinen Informationen wurde eine Verordnung, die diesen Satz begründet, von dem früheren Ministerpräsidenten Prieto erlassen.
Ich bin überzeugt, dass Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, eine solche Verpflichtung von Kriegsbeschädigten der Internationalen Brigaden nicht billigen werden, ich halte es sogar für möglich, dass Ihnen bei der Last Ihrer Arbeit diese Verpflichtung unbekannt geblieben ist. Die Männer, um die es sich hier handelt, sind als Freiwillige nach Spanien gekommen und haben sich mit ihrem Leben, ihrem geistigen Willen dem grossen Kampfe des spanischen Volkes verbunden. Zuverlässige Zeugen haben mir mitgeteilt, dass von den 40 000 Männern der Brigaden, die in den letzten Jahren nach Spanien kamen, etwa 10 000 in spanischer Erde ruhen. 25 Prozent tot, wahrlich ein Beweis, dass es diesen Männern ernst mit ihrem Willen und ihrer Tat war.
Von den übrigen 30 000 sind einige Tausende schwer verletzt und, gemäss Ziffern, die ich nicht nachprüfen kann, etliche Tausende krank oder verwundet aus dem Heer entlassen und in ihre Heimat zurückgeschickt. Einige Tausende sind für ihr Leben völlig arbeitsunfähig und ausser Stande, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es sind Männer darunter, die beide Beine oder beide Hände verloren haben, die erblindet oder schwer verstümmelt sind.
Es kann nicht im Interesse der spanischen Republik liegen, deren Humanität alle wahren Demokraten preisen, dass diese Männer im Ausland verhungern und verkommen oder fremden Hilfsorganisationen zur Last fallen. Gar nicht zu reden von den Kräften im Ausland, die diesen Zustand zu republikfeindlicher Propaganda benutzen. Die Männer, die den Erlass herausgaben, müssen sich über seine Folgen im Unklaren gewesen sein, sonst ist er unfassbar und unverständlich.
Einige Fakten über die gegenwärtige Situation der Kriegsverletzten:
Bis vor kurzer Zeit waren sowohl die spanische wie die französische Regierung der Repatriierung abgeneigt, aus Gründen politischer und pass-technischer Art. Seit einigen Monaten ist ein Wandel in der Haltung der Regierungen eingetreten. In den ersten 2 Kriegsjahren sind ungefähr 800 Verwundete Internationale ins Ausland gefahren. Vom 1sten Juli bis zum 25sten August sind etwa 1200 Mann nach Frankreich gekommen. Nach zuverlässigen Berichten befinden sich etwa noch 2500 Kriegsverletzte der Internationalen Brigaden in Spanien, die auf Repatriierung warten.
Schwerverletzte kommen meist ins Krankenhaus nach Perpignan. Von dort werden sie in Sanitätswagen nach anderen Krankenhäusern überführt. Die nicht-französischen Staats-An-gehörigen werden, sobald es ihr Zustand zulässt und sie nicht aus faschistischen Ländern stammen, in ihre Heimat zurückgeschickt. Ausgenommen die Holländer, denen ihre Regierung wegen ihrer Kriegstätigkeit in Spanien die Staatsangehörigkeit entzogen hat.
Die Invaliden, die nach Paris ankommen, erhalten bei ihrer Ankunft 100 Francs, später 70-100 Francs die Woche, einen Betrag, der nicht an das Existenz-Minimum heranreicht. Das Geld wird aus privaten Fonds, die in der Hauptsache von den Gewerkschaften aufgebracht wurden, durch das Comité de l’Aide au Peuple Espagnol, 1 Cite Paradis, Paris Xe, ausgezahlt. Aber die Auszahlung wird immer schwieriger, da immer grössere Mittel erforderlich sind, und die Gewerkschaften nur begrenzte Hilfe leisten.
Das Komitee hat gegenwärtig ein wöchentliches Budget von 300 000 – drei hundert Tausend – Francs. Die vorhandenen Mittel reichen an dieses Budget bei Weitem nicht heran, da allein die Heimreise der Kriegsbeschädigten aus überseeischen Ländern verhältnismässig hohe Kosten beansprucht. Die internationale Hilfstätigkeit würde zweifellos durch eine Beisteuerung aus spanischen Mitteln erleichtert werden.
In französischen Krankenhäusern, in und um Paris, in Perpignan und Toulouse, liegen einige Hunderte Kriegsbeschädigte. Der Aufenthalt im Krankenhaus kostet etwa 50 Francs täglich. Dazu kommen die Kosten von den etwa nötigen Operationen oder therapeutischen Behandlungen.
Besonders akut ist die Prothesenfrage. Prothesen gelten als unerschwinglich teuer. Im Allgemeinen erhalten nur die Männer Prothesen, die beide Beine verloren, oder sonst aus besonderen Gründen sich ohne sie nicht bewegen können. Am 25sten August war die Lage folgende. Es fehlten für:
3 Mann ohne 2 Bein
26 " " 1 "
3 " " 2 Füsse
4 " " 1 Fuss
25 Mann " einen Arm
1 " " 2 Hände
4 " " 1 Hand
5 " " 2 Augen
21 " " 1 Auge.
Die Zahl ist seitdem durch neue Transporte erheblich gestiegen, und einige Amputationen stehen bevor.
Ich bitte Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, diesem Zustand, der unvereinbar mit der Würde Spaniens ist, ein Ende zu bereiten.
Meine Anregung ist:
1) Alle bisher unterschriebenen Verpflichtungen der obigen Art werden für ungültig erklärt.
2) Die Regierung trifft eine vorläufige Regelung der Pensionsansprüche und überlässt die endgültige Regelung den Cortes nach Beendigung des Krieges.
3) Die vorläufige Regelung denke ich mir folgendermassen:
Die ärztlichen Stellen, die ihre Gutachten vor der Entlassung der Soldaten abgegeben haben, sind in Besitz von Dokumenten, aus denen der Grad der Arbeitsunfähigkeit hervorgeht. In Zweifelsfällen untersuchen Ärztekommissionen im Ausland, die das Vertrauen der spanischen Botschaften und Gesandtschaften besitzen, die Invaliden der Internationalen Brigaden. Die Adressen der Invaliden sind gesammelt bei dem Comité de l’Aide au Peuple Espagnol. Je nach dem Grad der Arbeitsunfähigkeit erhalten diese Leute eine zeitliche oder dauernde Unterstützung.
4) Um feindseligen Deutungen dieser Bestimmungen vorzubeugen, schlage ich vor, dass dieses Dokument nur gültig sein soll für Soldaten, die bis zum heutigen Datum in spanischen Dienst getreten sind. Eine solche Verordnung würde die Tendenz der spanischen Regierung unterstützen, in der Zukunft nur spanische Kämpfer zu verwenden.
Ich verstehe wohl, dass heute die spanische Regierung ihre Goldvorräte für die unmittelbaren Zwecke des Krieges dringend braucht, aber es handelt sich bei dem Fond, den die Regierung bei dieser Gelegenheit zu schaffen haben würde, um eine verhältnismässig begrenzte Summe. Ausserdem wäre die moralische Wirkung dieser Aktion unermesslich. Sie würde den Opfern des Krieges neuen Mut und neues Vertrauen geben, das edle spanische Volk würde darüber Genugtuung empfinden, und sie entspricht den menschlichen Idealen der Demokratie.
Ich grüsse Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, in hoher Achtung und Verehrung.
Ihr sehr ergebener
Ernst Toller
(sign.)
P. S. Die Zahlen und Einzelheiten über die Tätigkeit des Comité de l’Aide au Peuple Espagnol und die Lage der Invaliden in Frankreich habe ich von der Genossin Lise Lindbæk erhalten, der Verfasserin des Buches über das Bataillon Thälmann, die ein Jahr in der XI Internationalen Brigade gearbeitet hat. Lise Lindbæk bleibt vorläufig in Barcelona und wohnt im Hotel Majestic. Sie ist gerne bereit, Ihnen weitere Auskünfte zu geben, wenn Sie das wünschen sollten.