Karl Marx (* 5. Mai 1818 in Trier; † 14. März 1883 in London) war ein deutscher Philosoph, Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung sowie Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft und der Religion.
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Alfred Beierle, als Paul Alfred Beier, (* 4. Juni 1885 in Berlin; † 16. März 1950 in Berlin) war ein deutscher Theater- und Filmschauspieler.
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Kurt August Paul Wolff (* 3. März 1887 in Bonn; † 21. Oktober 1963 in Ludwigsburg) war ein deutscher Verleger; Gründer des auf expressionistische Literatur spezialisierten Kurt Wolff Verlags, der von 1913 bis 1940 existierte.
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Friedrich Martin Adalbert Kayssler, auch Friedrich Kayßler (* 7. April 1874 in Neurode; † 24. April 1945 in Kleinmachnow bei Berlin) war ein deutscher Schauspieler sowie Schriftsteller und Komponist.
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Fra Dolcino (* in Novara; † 1. Juni 1307 in Vercelli) war ein Mitglied und seit etwa 1300 der Anführer der von der Kirche als häretische Sekte bekämpften oberitalienischen Laienbewegung der Apostelbrüder, der zur gewaltsamen Vernichtung der römischen Amtskirche aufrief, sich mit einer größeren Anzahl von Anhängern in mehreren wechselnden Berglagern im Gebiet der Diözesen von Novara und Vercelli verschanzte und nach einem von Papst Clemens V. ausgerufenen Kreuzzug gefangengenommen und nach öffentlicher Folterung hingerichtet und verbrannt wurde.
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Pindar (griechisch Πίνδαρος Píndaros, latinisiert Pindarus; * 522 oder 518 v. Chr. in Kynoskephalai bei Theben; † nach 446 v. Chr.) war ein griechischer Dichter und zählt zum Kanon der neun Lyriker.
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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.
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#137 Brief an Annemarie von Puttkamer
Datierung | 1921-05-22 |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief, 4 S., M |
Provenienz | YUL, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale Collection of German Literature, Kurt Wolff Archive (YCGL MSS 3), Box 7, Folder 293 |
Briefkopf | - |
Publikationsort | D1: Kurt Wolff. Briefwechsel eines Verlegers. 1911–1963. Hrsg. v. Bernhard Zeller und Ellen Otten. Frankfurt/Main: Verlag Heinrich Scheffler 1966, S. 326–328. D2: „Ich glaube nicht mehr an Wandlung“. Aus dem Briefwechsel zwischen Kurt Wolff und Ernst Toller. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (1968), Nr. 202, S. 16. |
Poststelle | - |
Personen |
Puttkamer, Annemarie von
Marx, Karl Beierle, Alfred Wolff, Kurt Kayssler, Friedrich Dolcino, Fra Pindar Toller, Ernst Puttkamer, Annemarie von |
Institutionen |
Raimundtheater
Düsseldorfer Volksbühne Schauspielhaus (Frankfurt) Altes Theater (Leipzig) Gustav Kiepenheuer Verlag Volksbühne Berlin Kurt Wolff Verlag |
Werke |
Die Wandlung
Masse Mensch Die Maschinenstürmer Fra Dolcino |
Liebe Annemarie Puttkamer,
Sie wissen, daß ich nach Überwindung mancher Hemmung meine Verse an Kurt Wolff schickte, weil ich aufrichtigen Wert auf reine „ungetrübte“ menschliche Beziehungen zu K. W. lege und ihm selbst eine Verlegenheit, die er bei Ablehnung einer meiner Arbeiten empfinden könnte, ersparen möchte.
Andrerseits sage ich mir, daß es Ihnen vielleicht merkwürdig erscheint, wenn ich ein Gedichtmanuskript dem Verlag vorlege, andere (dramatische) Arbeiten aber nicht. – Ich beendete in diesem Winter ein dramatisches Gemälde „Die Ludditen“. (Ein Stück aus der Zeit der englischen Maschinenstürmer in England.) Ein Arbeiterdrama. Ein Volksstück, wenigstens ein tastender Versuch dazu.
Alfred Beierle las „Die Ludditen“ in Berlin und Zeitung und Briefe sagten mir, daß die Hörer nicht unberührt blieben. (Am 28. u. 29. werden „Die Ludditen“ in Dresden gelesen.)
Das Frankfurter Schauspielhaus und das Städt. Theater in Leipzig baten um das Manuskript. Ein Brief des Dramaturgen der Frankfurter Bühne macht mir Hoffnung auf Annahme zur Uraufführung. – Meine Beziehungen zu Kiepenheuer sind gespannt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ich von ihm – auch mit den dort verlegten Dramen „Wandlung“ und „Masse Mensch“ fortgehe.
Ich wünschte einen Verleger zu bekommen, der an meinen Arbeiten Anteil nimmt, und der auch in Zukunft meine wesentlichen Arbeiten veröffentlichen wird. (Kiepenheuer paßte die innere „sozialistische Gerichtetheit“ meiner Werke, solange Sozialismus als Kündung und Verkündung „Konjunktur“ war und dem Verleger sozialistischer Autoren keine gesellschaftlichen Unzuträglichkeiten als Fährnis drohten).
Schreiben Sie mir rückhaltlos, liebe Annemarie Puttkamer, ob Ihnen die Voraussetzungen gegeben erscheinen, die es ratsam sein ließen, mein Stück Kurt Wolff einzusenden. Ich hielte es für wohl denkbar, daß der Verlag angesichts der großen zeitlichen Schwierigkeiten nur dramatische Werke jener Autoren veröffentlicht, die zu ihm seit Jahren in einem festen Vertragsverhältnis stehen. Sie würden mir umso weniger eine Enttäuschung bereiten, als mir erst vor einigen Wochen ein berliner Verleger durch einen gemeinsamen Bekannten mitteilen ließ, er bäte um Einsendung der Manuskripte dramatischer Arbeiten.
Einige sachliche Mitteilungen werden Ihnen wahrscheinlich erwünscht sein.
Die Wandlung erscheint im 15. Tausend. Sie wurde in Berlin (etwa 115mal), in Hamburg (etwa 35mal), in Stuttgart, Köln gespielt. Zur Aufführung angenommen in Wien, Brünn, Mährisch-Ostrau, Osnabrück, München.
„Masse Mensch“ (1–3. Tausend) wurde in Nürnberg und Köln gespielt. Kayßler führt das Drama im nächsten Winter in der Berliner Volksbühne auf. Annahmen außerdem: Wien – Raimundtheater, Düsseldorfer Volksbühne.
Ich richte mit Absicht eine persönliche Anfrage an Sie, weil Sie die Verlagsverhältnisse genau kennen, und mir Ihr gewohnter freundschaftlicher Rat von wertvoller und maßgeblicher Bedeutung ist. – Sie wissen, ich stehe am Anfang meines Schaffens. (Ich wünschte es mir wenigstens, wie jeder es sich wünscht und, unzufrieden mit bisher Geformtem, verheißenden Weg der Form zu sich bannen zu können wähnt). Wahrscheinlich wird erst mein nächstes Drama – (Die Tragödie des Mönches) „Fra Dolcino“, deren erste noch dürftige seelische Konturen wachsen – kritische Entscheidung für mich bedeuten. Ein Erlebnis wurde mir mit der Beseeligung beglückenden Wunders: Das Erlebnis der Sprache, das Erlebnis des göttlichen Worts. Ich verschweige ein Wichtiges allzu Verständliches. Nicht allein beglückend war dieses Erlebnis – es war ein vielen Stunden verzerrt von der Furchtbarkeit eigenen Erschreckens, eigener Ohnmächtigkeit, es war grausam und zerstörte schonungslos, was die Willenshure sich mit selbstbetrügerischen Händen eitel erbaut hatte. –
Diese Haft dünkt mich oft wie eine Probe. Ich werde sie bestehen oder nicht bestehen. Das hängt nicht von meinem Willen ab, nicht von meinen gedanklichen Anstrengungen, sondern von der schicksalhaften Gegebenheit meines letzten, entblößten Seins. Die allein ist entscheidend. Ich glaube nicht mehr an Wandlung zu „ neuem “ Menschtum, zu „neuem“ Geist. Jede „Wandlung“ ist Faltung und Entfaltung. Tiefer denn je spüre ich den Sinn des tragischen und gnädigen Wortes Pindars: Der Mensch wird, was er ist.
Das Dogma der Gnadenwahl ist – jenseits aller kirchlichen Exegese – nur ein Aussprechen tiefer menschlicher Wirklichkeit. –
Ich wünschte, daß die Jahre der Ferne ein „um-einander-wissen“ blieben.
Ernst Toller
Fest. Niederschönenfeld,
22. 5. 21.