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Gustav Mayer (* 4. Oktober 1871 in Prenzlau; † 21. Februar 1948 in London) war ein deutscher Journalist und Historiker der Arbeiterbewegung.

Karl Marx (* 5. Mai 1818 in Trier; † 14. März 1883 in London) war ein deutscher Philosoph, Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung sowie Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft und der Religion.

Friedrich Engels (* 28. November 1820 in Barmen in der preußischen Provinz Jülich-Kleve-Berg; † 5. August 1895 in London) war ein deutscher Philosoph, Gesellschaftstheoretiker, Historiker, Journalist und kommunistischer Revolutionär. Darüber hinaus war er ein erfolgreicher Unternehmer in der Textilindustrie. Er entwickelte gemeinsam mit Karl Marx die heute als Marxismus bezeichnete Gesellschafts- und Wirtschaftstheorie.

Leonhard Stark (* 3. November 1894 in Schamhaupten/Oberpfalz; † nach 1982 in Stockholm), war zunächst Volksschullehrer und als Wanderprediger der 1920er Jahre ein Vertreter der sogenannten Inflationsheiligen.

Ludwig Christian Haeusser, auch: Louis Haeusser (* 6. November 1881 in Bönnigheim; † 9. Juni 1927 in Berlin), war ein Wanderprediger der 1920er Jahre und der bekannteste Vertreter der sogenannten Inflationsheiligen.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

Gustav Mayer (* 4. Oktober 1871 in Prenzlau; † 21. Februar 1948 in London) war ein deutscher Journalist und Historiker der Arbeiterbewegung.

#124 Brief an Gustav Mayer

Datierung 1921-02-07
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief

Provenienz Original nicht ermittelt.
Briefkopf -
Publikationsort Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 314f.).
Personen Mayer, Gustav
Marx, Karl
Engels, Friedrich
Stark, Leonhard
Thaldorf, Karl
Haeusser, Ludwig Christian
Toller, Ernst
Mayer, Gustav
Werke Die Maschinenstürmer

7.2.1921

An Gustav Mayer.

Stoffliches Material zu meinem Drama „Die Maschinenstürmer“ fand ich noch in Marxens „Kapital“, und in Engels „Lage der arbeitenden Klasse in England“.

Man kann als Schaffender nicht den Termin bestimmen, an dem das Stoffliche sich verdichtet, lebendiges Eigentum wird, und an dem das Erlebnis Form wird. Wenn ich trotzdem mir die Bücher aus London kommen lasse, so geschieht es zu Zwecken der Überprüfung und … in der Hoffnung, eine gewisse Übereinstimmung im Historischen zu finden. Mich beschäftigt das Ludditen-Problem schon seit einigen Jahren.

Begierig bin ich auf Butlers Buch. Auch in meinem Stück hat die Maschine mehr als materielle Bedeutung. Sie ist „Teufel“, „Dämon“, und nicht allein das soziale Elend, das sie verursacht (Arbeitslosigkeit der Männer, Lohndrückerei, Arbeitsteilung) führt zu ihrer Zerstörung, sondern auch ihre „gespenstige Erscheinung“. Und schließlich versuchte ich, die Maschine zum Symbol unserer mechanistischen Periode zu machen. –

Ihre Mitteilung, daß auf der Volkshochschule deutlich die Zeitflucht der Massen bemerkbar ist, die sich in der Abkehr von allen gesellschaftlichen Disziplinen äußert, hat mich nicht überrascht. Man kann diese Erscheinung nicht mit dem Hinweis auf deutsche Charaktereigentümlichkeiten abtun. Ob diese Erscheinung nicht auch in die Reihe der Verfallssymbole unserer Gesellschaft gehört? Man will dem Alltag, der aktive Anteilnahme und gründliche Kenntnis gesellschaftlicher Fragen fordert, entfliehen. Nicht ohne Befürchtungen betrachte ich das Aufkommen der mannigfachen Bünde, besonders der pseudoreligiösen Bünde, die ich für Zentren künstlicher Betäubung halte. Die Unfähigkeit zu glauben, greift nach einem Opiat. Diese Menschen brauchen Rausch, denn nur im Rausch vermögen sie zu glauben, daß sie glauben. (Auch in extremen politischen Parteien findet man sie.) Zahlreich auftretende esoterische Bünde und Parteien sind kein Zeichen wachsender Volkskraft.

Propheten und Prediger ziehen in Massen durchs Land.

Jemand schickte mir ein Pack Flugblätter. Einer, Leonhard Stark, schreibt: Ich bin die Natur. Ich bin die Tat.

Ein anderer, Karl Thaldorf, schreibt: Ich bin das neue Evangelium.

Ein Dritter:

Ich bin das große Ich.

Ich bin die Liebe.

Ich rede am 21. Dezember im Felsenkeller.

Häusser:

Ich prophezeie den Untergang.

Ich bin der Führer.

Ich und der Vater sind eins.

Ich bin der Retter Deutschlands.

Manische Individuen oder Auguren oder simple Betrüger? Eins stimmt mich bedenklich: die Menge der Anhänger.

Nur wo seelische Zersetzung, Haltlosigkeit, Wurzellosigkeit, Glaube an Untergang herrschen, können solche Menschen Einfluß im Volk gewinnen.