Ernst Toller

83, Finchley Road,

London N.W.8.

3. August 1934.

Liebe Ika Olden,

ja, ich war einen Moment böse, weil ich den Eindruck hatte, dass Ihre Worte einen Vorwurf enthielten und Sie doch genau wissen müssen, dass ich nichts unversucht lasse um zu helfen.

Eine Delegation ist, wie ich Ihnen schon schrieb, nach Deutschland gefahren. Selbstverständlich können nicht genug Delegationen reisen.

Die Äusserung Schwarzschilds gab ich als Stimmungsäusserung, ohne sie mir zu eigen zu machen.

Inzwischen haben sich Ellis Roberts, Lite. Editor of Time and Tide und Harriet Roberts bereitgefunden, sich dem Komitee anzuschliessen.

Morgen hoffe ich das gleiche Resultat im Hause Oxford zu erreichen.

Dank für den Briefentwurf. So scheint er mir nicht brauchbar zu sein. Man muss sich vorher darüber klar sein, ob dieser Brief nur ein scharf agitatorischer sein soll. Ich halte eine mehr sachliche Form für besser. Ausserdem glaube ich, dass sonst weder Lady Oxford noch andere den Brief unterzeichnen werden.

Das wichtigste erscheint mir im Moment, wie ich schon sagte, eine Verbindung zum englischen Botschafter. Wenn der sich einsetzen würde, wäre es ausgezeichnet.

Es tut mir sehr leid, dass ich Sie nicht mehr vor meiner Reise spreche, aber ich kann den Krankenbesuch bei Landshoff nicht mehr verschieben.

Ab Mittwoch bin ich in Cornwall immer zu erreichen, meine Adresse ist:

E. T. Chy on Chy, Lalant. Cornwall.

Ihnen und Ihrem Mann herzliche Grüsse

Ihr

Ernst Toller

NB.

Mrs. Evelyn Pritchett

vom Verlag John Quill Ltd.,

8 John Street, Adelphi,

London, W.C.2.

hat sich wegen eines Hindenburg-Artikels an mich gewendet.

Ich habe sie an Olden verwiesen.

Eben komme ich von der Prinzessin Bibesco.

1.) Sie schliesst sich dem Comité an.

2.) Vertraulich: Sie wird, auf meine Bitte, zweierlei zu erreichen suchen.

a) Einen Leitartikel in der Times über einen notwendigen Befreiungsakt anlässlich der Präsidentenwahl. b) Sie will einen entsprechenden Brief vorbereiten, der gleichfalls in der T. erscheinen soll, unterzeichnet vom Erzbisch. von Canterbury, Feldmarschällen, Duchessen u. s. w.

((Verfluchte Präsidentschaft! Hindenburg hat dem Hitler noch im Tod geholfen. Ade Hoffnung!))

Olden soll rasch sein Buch beenden!!

Apparat

Ika] Emendiert aus: Ica

Ihre Worte] In 1934-07-01_olden i an ET berichtet diese von den Fortschritten in der Arbeit für Ossietzky. Er endet mit den Worten: „Lieber Herr Toller, seien Sie nicht immer so böse, wenn ich sage, dass Sie am meisten für Ossietzky tun können. Es ist so, ich sage es voller Hochachtung“.

wie ich Ihnen schon schrieb] Gemeint ist der geplante Göring-Besuch von Joan Mary Fry. Vgl. 1934-07-31b_olden r.

Die Äusserung Schwarzschilds] Vgl. 1934-07-01_olden i an ET: „Ich bin nicht Schwarzschilds Meinung. Gerade wenn ein Regime in Bewegung ist, ist der politische Gefangene bedroht. Albury ist mir verdorben, wenn ich an Ossietzky denke.“

haben sich] Emendiert aus: hat sich

den Briefentwurf] Nicht ermittelt. Vgl. auch 1934-07-20_olden r

Lady Oxford] D. i. Margot Asquith.

Krankenbesuch bei Landshoff]  Der Leiter des Querido Verlags war wegen einer tuberkulösen Rippenfellentzündung 1934 für ein halbes Jahr arbeitsunfähig (vgl. Fritz H. Landshoff: Amsterdam, Keizersgracht 333. Querido Verlag. Erinnerungen eines Verlegers. Berlin: Aufbau 2001, S. 53).

NB.] Notabene (übrigens).

Mrs. Evelyn Pritchett] Emendiert aus: Mrs. Evelyn Pritchell

an mich gewendet] Vgl. 1934-08-02_pritchett e an ET: „We have had an enquiry from a Sunday newspaper for an article on Hindenburg. Do you think you would care to write this for us?“

Ich habe sie an Olden verwiesen.] Vgl. 1934-08-02_pritchett e.

Eben komme ich ... Buch beenden!!] Handschriftlich hinzugefügt.

Prinzessin Bibesco] D. i. Elizabeth Asquith.

anlässlich der Präsidentenwahl] Unmittelbar vor dem Ableben des Reichspräsidenten Hindenburg legte Hitler das Amt des Reichskanzlers und jenes des Präsidenten zusammen und ließ sich dies am 19.8.1934 durch eine nachträgliche Volksabstimmung bestätigen. Auf eine Präsidentenwahl konnte damit verzichtet werden.

sein Buch]  1933 hatte Olden einen kürzeren Hitler-Essay veröffentlicht, 1934 gab er anonym Das Schwarzbuch. Tatsachen und Dokumente. Die Lage der Juden in Deutschland 1933 heraus. 1935 schließlich erschien ein weiteres, diesmal wesentlich umfangreicheres Hitler-Buch bei Querido.