#109 Brief an E.
Datierung | 1920-??-?? |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief |
Provenienz | Original nicht ermittelt. |
Briefkopf | - |
Publikationsort | Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 289). |
Personen |
E.
E. Toller, Ernst |
Niederschönenfeld 1920
An E.
Schon sehe ich, wie sich junge Dichter abwenden von der revolutionären Kunst, wie sie bekennen, geirrt zu haben, als sie „politische Dichtung“ schrieben.
Gut, sie mögen in esoterischen Zirkeln sich finden und voll Hochmut sich selbst bespiegeln. – In dieser Verfallsperiode des Kapitalismus, der in verschiedensten Masken die Seelen aller versucht, alle verfolgt, die sich gegen ihn aufbäumen, ist es freilich nicht unbeschwerlich, in stetem Kampf unermüdlich seine Stimme zu erheben. Die Öde der Parteimechanik, die kleinliche Gehässigkeit, die wie ein widerwärtiger Wurm durch den Alltag kriecht, stoßen den Sensiblen ab.
Der Platz des proletarischen Dichters ist in den Reihen der Arbeiterschaft. Das Proletariat braucht Dichter, deren Sprache es versteht, in deren Sprache der schwere Pulsschlag der Massen, der Fabriken und der unentrinnbaren großen Städte klopft. Proletarische Dichter, menschliche Dichter.