Weitere Briefe
1,665 Briefe gefunden

Tilla Durieux, eigentlich Ottilie Godeffroy (* 18. August 1880 in Wien; † 21. Februar 1971 in West-Berlin) war eine österreichische Schauspielerin und Hörspielsprecherin.

Ernst Pöhner (* 11. Januar 1870 in Hof an der Saale; † 11. April 1925 bei Feldkirchen) war Polizeipräsident in München und einer der Beteiligten am Hitler-Ludendorff-Putsch im Jahr 1923.

Tilla Durieux, eigentlich Ottilie Godeffroy (* 18. August 1880 in Wien; † 21. Februar 1971 in West-Berlin) war eine österreichische Schauspielerin und Hörspielsprecherin.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#108 Brief an Tilla Durieux

Datierung 1920-??-??
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief

Provenienz Original nicht ermittelt.
Briefkopf -
Publikationsort Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 297).
Personen Durieux, Tilla
Pöhner, Ernst
Durieux, Tilla
Toller, Ernst
Werke Die Wandlung
Masse Mensch

An Frau T. D.

Das in der „Wandlung“ brüchig gestaltete Formproblem scheint mir in „Masse Mensch“ zum erstenmal annähernd gelöst zu sein. Es ist mein Stil, mein notwendiger Ausdruck. Es wird Sie interessieren, daß ich das Drama, nachdem ich bis auf ein paar Verse fast 1 Jahr nichts geschaffen hatte, in drei Tagen, ohne äußere Vorarbeiten, in einem Zug schrieb. Was Sie befremdet, Weglassen, Vereinfachen, hängt mit dem erwachten Wortgefühl zusammen, das in vielen Schriftstellern unserer Zeit lebendig ist.

Ich habe einen der schwersten Konflikte unserer revolutionären Zeit, der immer wieder an den Menschen herantritt, der die Notwendigkeit des Umpflügens erkannt hat, zu gestalten versucht.

Ich habe das Stück einigen Genossen, Bauern, Industriearbeitern, Tagelöhnern, auch verknöcherte Aufseher waren anwesend, vorgelesen – und mich erfüllte innige Freude, als ich sah, wie jeder das Stück verstand, wie jeder auf seine Art seelisch mitlebte und kämpfte.

Ein Arbeiter sagte, es werde die proletarische Leidenschaft „reinigen“ und im Bürgertum eine winzige Ahnung von den schweren Kämpfen des Proletariats wecken. –

Ihre Klagen über die Theaterverhältnisse in Berlin begreife ich nur zu gut. Auch diese Zustände sind Symptome einer Verfallszeit. Wäre es denn denkbar, daß neben Korruption, Gier, Schiebertum, Erschießung auf der Flucht, die bürgerliche Gesellschaft in einer zarten Ecke reine Theaterkunst wie ein keusches Blümlein hütet?

Nein, diese Theaterspielpläne sind das würdige Fresko zu all jenen Szenen, von denen die Knüppelung eines „Dreckjuden“ in den heiligen Räumen des Münchner Polizeipräsidenten Pöhner mitten im Frieden ein auch in dieser Zeit der Abstumpfung besonders erschreckendes Beispiel war.

Rührselige Schmarren im Theater – Brutalität, widerwärtigste Gewaltanbetung draußen. (Überm Strich: Handgranate, unterm Strich: Pazifismus.) In Bayern ist es noch schlimmer als bei Ihnen oben.