Weitere Briefe
1,665 Briefe gefunden

Carl Ferdinand Max Hauptmann, Pseudonym Ferdinand Klar, (* 11. Mai 1858 in Obersalzbrunn, Provinz Schlesien; † 4. Februar 1921 in Schreiberhau im Riesengebirge, Niederschlesien), Bruder von Gerhart Hauptmann, war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller.

Kurt Eisner (geboren am 14. Mai 1867 in Berlin; gestorben am 21. Februar 1919 in München), sozialistischer Revolutionär, Journalist und Politiker, vom 8. November 1918 bis zu seiner Ermordung durch Anton Graf von Arco auf Valley Ministerpräsident des Freistaats Bayern.

Anton Graf von Arco auf Valley (* 5. Februar 1897 in St. Martin im Innkreis; † 29. Juni 1945 in Salzburg) war ein deutscher Adliger. Er ermordete am 21. Februar 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

Carl Ferdinand Max Hauptmann, Pseudonym Ferdinand Klar, (* 11. Mai 1858 in Obersalzbrunn, Provinz Schlesien; † 4. Februar 1921 in Schreiberhau im Riesengebirge, Niederschlesien), Bruder von Gerhart Hauptmann, war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller.

#62 Brief an Carl Hauptmann

Datierung *zwischen 1919-09-24 und 1920-02-03
Absendeort Eichstätt, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 2 S., M

Provenienz Schlesische Bibliothek, Kattowitz, R 615 III / 39
Briefkopf -
Personen Hauptmann, Carl
Eisner, Kurt
Arco auf Valley, Anton Graf von
Toller, Ernst
Hauptmann, Carl

Sehr verehrter Herr Carl Hauptmann,

Ihr Gedenken war mir mehr als eine flüchtige Freude. Ich bin sehr (darf ich so sagen?) stolz auf diesen Händedruck.

Nach monatelanger Zelleneinsamkeit, die mich wie eine Heimat umgab, brachte ich einige Wochen in einem Krankenhaus zu. Ich hatte mich einer Operation unterziehen müssen. In einem weißen Bett durfte ich liegen, durch das nicht unfreundliche Gitter eines richtigen Fensters in einen wirklichen Garten schauen und mich von sehr stillen und sanften Ordensschwestern pflegen lassen. Schwestern, die nicht von der politischen Korruption erfaßt sind, und die den nackten Menschen pflegen in einer großen Demut und Güte, gleichgiltig, ob in dem Zimmer der Mann liegt, der Eisner erschoß (er wurde vor mir hier behandelt) oder der „berüchtigte Hetzer“.

Man mag wider sie sagen: engherzige Dogmen bestimmen ihre Lebensordnung. Was tut das! Diese Lebensordnung ist eine selbstlose, ist erfüllt von einem tiefen Glauben, ist freiwilliger Dienst.

Wenn ich die Arbeit dieser Schwestern beobachte, sehe ich ganz klar, was unserm Volk fehlt: ein stetiges religiöses Moment, das zwingender als reine Erkenntnis der Vernunft zu Verantwortungsgefühl und Liebe (nicht Haß) zwingt. Religiöse Gefühle sind bei den Massen vorhanden, ein primitiver Kinderglaube oft, aber er durchdringt nicht die gesamte Arbeit, läßt sie nicht zur wirklichen Werk-Arbeit werden. Rein materialistisch ohne Aufzeigung der religiösen Momente ist die revolutionäre Bewegung gar nicht wahrhaft zu erklären. – Aber es fehlt die unsichtbare Kirche. –

– Großer Zorn packt mich immer, wenn ich die Erzeugnisse einzelner Revolutionsliteraten lese, die blutige Rache- und Haßgesänge hinausschleudern. Das sind die wahren Kommis des Tages! Im vorigen Jahr noch dünkten sie sich Märtyrer der Menschlichkeit. –

Sie fragen mich, ob ich mir ein Buch wünsche. Ich nehme von Ihrer Güte und bitte Sie um „Die armseligen Besenbinder“, ein Stück, das ich sehr liebe.

In hoher Verehrung

Ernst Toller.

(Adr. Eichstätt bei Ingolstadt

Festungshaft Bayern)